Bei Vermögensauseinandersetzungen steht schnell die Frage nach der korrekten Bewertung von Immobilien im Raum. Da die Beteiligten oft unterschiedliche Standpunkte einnehmen, entwickeln sich Bewertungsfragen häufig zu strittigen Punkten. Eine professionelle und neutrale Wertermittlung durch qualifizierte Sachverständige wird daher meist unumgänglich.

Häufige Bewertungsanlässe im Zivilrecht

Immobilienbewertungen werden in verschiedenen rechtlichen Situationen erforderlich, wobei drei Bereiche besonders häufig zu Auseinandersetzungen führen.

Schenkung und Erbschaft bilden einen zentralen Bewertungsanlass. Hier geht es meist um die Bestimmung von Pflichtteil- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Der Ausgangswert der Vermögenswerte zum relevanten Stichtag bestimmt maßgeblich die Höhe der Ansprüche der Beteiligten.

Scheidungsverfahren erfordern besonders bei gesetzlichem Güterstand oder Zugewinngemeinschaft eine sorgfältige Bewertung. Die Herausforderung liegt darin, dass Bewertungen zu zwei verschiedenen Stichtagen erforderlich sind. Weit zurückliegende Bewertungsstichtage stellen dabei eine besondere Schwierigkeit dar, da sich Marktverhältnisse und Immobilienwerte verändert haben können.

Entschädigungs- und Abfindungsregelungen kommen bei verschiedenen Anlässen zum Tragen. Dies betrifft beispielsweise Landenteignungen oder auslaufende Grundstücksverträge. Bei Erbbaurechtsverträgen ist zum Ende der Laufzeit oft eine Entschädigung für die baulichen Anlagen zugunsten des bisherigen Erbbauberechtigten vorgesehen. Auch Gesellschaftsverträge enthalten häufig Abfindungsregelungen beim Ausscheiden von Gesellschaftern.

Bewertungsverfahren

In Deutschland sind mehr als zehn verschiedene Bewertungsverfahren für Immobilien etabliert. Bei der Beauftragung von Sachverständigen ist es daher wichtig, Bewertungszweck, Bewertungsgrundlage und Stichtag konkret zu vereinbaren.

Für zivilrechtliche Verfahren ist überwiegend der Verkehrswert nach § 194 BauGB relevant. Dieser entspricht dem Preis, der für das Bewertungsobjekt zum Wertermittlungsstichtag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr am Grundstücksmarkt erzielbar wäre. Diese Definition orientiert sich an realistischen Marktbedingungen und aktuellen Transaktionen.

Herausforderungen in der Bewertungspraxis

Besondere Vorsicht ist bei älteren Gesellschafts- oder Erbbaurechtsverträgen geboten. Diese weichen teilweise explizit vom Verkehrswertbegriff ab und vereinbaren beispielsweise den Ertragswert oder den „um die Alterswertminderung berichtigten Anschaffungswert“ als Bewertungsgrundlage. Solche alternativen Bewertungsansätze können zu erheblichen Abweichungen vom Verkehrswert führen.

Häufig sind Abfindungs- oder Entschädigungsklauseln unvollständig formuliert. In diesen Fällen ist nicht nur der Wert selbst strittig, sondern bereits das anzuwendende Bewertungsverfahren. Anwälte, Gerichte und Sachverständige sollten dann zunächst Werte auf Basis verschiedener diskutierter Verfahren ermitteln lassen. Daraus ergibt sich meist eine Wertspanne, die eine einvernehmliche Regelung ermöglichen kann.

Sonderfall landwirtschaftliche Betriebe

Bei landwirtschaftlichen Immobilien kommen in zivilrechtlichen Verfahren meist zwei Bewertungsverfahren zur Anwendung: die Verkehrswertermittlung nach § 194 BauGB und die Ertragswertermittlung nach § 2049 BGB.

Das Verfahren nach § 2049 BGB stellt eine Sonderform dar und soll das Überleben landwirtschaftlicher Betriebe bei Erbschaft, Schenkung oder Scheidung sichern. Anstelle der tatsächlichen Verkehrswerte kommt lediglich ein rechnerischer Ertragswert als Entschädigungsgrundlage zum Ansatz, gegebenenfalls ergänzt um Sonderpositionen wie Bauerwartungsland.

Diese „Verschonungsregelung“ mit stark reduzierten Entschädigungen kann nur angewendet werden, wenn der Betrieb „schutzwürdig“ ist. Dies ist mit verschiedenen Anforderungen verbunden. Die beiden Bewertungsverfahren weichen stark voneinander ab, in Gebieten mit hohem Grundstückspreisniveau sogar eklatant.

Qualifikation von Sachverständigen

In Deutschland lassen sich Immobiliensachverständige in drei Gruppen unterteilen, die sich in ihrer Qualifikation und Berechtigung unterscheiden.

Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige genießen durch erstmalige und laufende Überprüfung durch staatliche oder halbstaatliche Stellen besondere Anerkennung. Diese kontinuierliche Kontrolle gewährleistet besondere Fachkunde und Vertrauenswürdigkeit bei der Unterstützung von Gerichten, Unternehmen, Behörden und Privatleuten.

Zertifizierte Sachverständige bilden eine ähnlich qualifizierte Gruppe, insbesondere jene, die nach der europäischen Qualitätsnorm und Personenzertifizierung nach DIN IEC 17024 zertifiziert wurden. Diese Zertifizierung stellt ebenfalls hohe Anforderungen an Fachkompetenz und Qualitätsstandards.

Freie Sachverständige verfügen zwar über besonderes Fachwissen, gehören jedoch nicht zu den beiden vorgenannten Gruppierungen. Bei der Auswahl sollte daher besonders auf Qualifikation, Erfahrung und Referenzen geachtet werden.

Praktische Empfehlungen

Bei anstehenden Vermögensauseinandersetzungen empfiehlt sich eine frühzeitige Klärung der Bewertungsgrundlagen. Bereits bei der Vertragsgestaltung sollten eindeutige Regelungen zu Bewertungsverfahren und Stichtagen getroffen werden.

Die Beauftragung qualifizierter Sachverständiger ist meist unumgänglich, um neutrale und belastbare Bewertungen zu erhalten. Dabei sollte der Bewertungsauftrag präzise formuliert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Bei komplexeren Fällen oder unklaren Vertragsregelungen kann es sinnvoll sein, mehrere Bewertungsverfahren parallel anzuwenden. Dies schafft Transparenz über mögliche Wertspannen und erleichtert einvernehmliche Lösungen.

Professionelle Bewertung als Konfliktprävention

Durch eine gründliche Vorbereitung und die Beauftragung qualifizierter Sachverständiger lassen sich viele Konflikte bereits im Vorfeld vermeiden oder zumindest sachlich lösen. Eine neutrale Bewertungsgrundlage schafft Vertrauen bei allen Beteiligten und erleichtert faire Lösungen bei Vermögensauseinandersetzungen.

Sie stehen vor einer Vermögensauseinandersetzung? Sprechen Sie uns an. Wir unterstützen Sie mit unserer Expertise bei der sachgerechten Wertermittlung.

Ansprechpartner

Bei Fragen senden sie uns eine Mail an info@igbay.de.

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