Eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Bewertungsanlässe- und Verfahren im Zivilrecht

Kommt es zu Vermögensauseinandersetzungen stellt sich ganz zeitnah dazu die Frage nach der Bewertung. Da die Verfahrensbeteiligten oft unterschiedliche Betrachtungsstandpunkte einnehmen, ist diese Frage oft strittig.

Geht es um Immobilienvermögen werden meist Sachverständige miteinbezogen, um den Vermögenswert neutral und unabhängig bewerten zu können. Doch welche Bewertungsanlässe und -verfahren gibt es hierzu und wie unterscheiden sich die Sachverständigen?

Bewertungsanlässe sind vielschichtig und resultieren oft auch aus Bewertungsfragen im steuerlichen Bereich und damit dem öffentlichen Recht. Besonders strittig im Zivilrecht ist die Bewertung von Vermögenswerten jedoch besonders im Rahmen der nachfolgenden Themengebiete:

• Bei Schenkung und Erbschaft: Hier stellt sich meist die Frage nach der Höhe der Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche und damit nach dem Ausgangwert der Vermögenswerte.

• Im Rahmen von Scheidungsverfahren: Insbesondere beim gesetzlichen Güterstand oder der Zugewinngemeinschaft ist die Bewertung dabei überwiegend zu zwei Stichtagen notwendig. Für eine nachvollziehbare und belastbare Bewertung stellen hier weit zurück liegende Stichtage meist eine Herausforderung dar.

• Bei der Bemessung der Entschädigungs- oder Abfindungshöhe: Dies kann beispielsweise bei Landentzug, oder auch bei auslaufenden Grundstücksverträgen relevant sein. Gerade bei Erbbaurechtsverträgen ist zum Ende der Vertragslaufzeit oft eine Entschädigung für die baulichen Anlagen – zu Gunsten des bisherigen Erbbauberechtigten – enthalten. Ebenfalls finden sich in Gesellschaftsverträgen oft Regelungen zur Abfindung beim Ausscheiden von Gesellschaftern.

In Deutschland sind deutlich mehr als zehn angewandte Bewertungsverfahren für Immobilienwerte bekannt. Maßgeblich bei der Beauftragung von Sachverständigen ist es daher den Bewertungszweck, die Bewertungsgrundlage und den Stichtag der Bewertung
konkret zu vereinbaren.

Überwiegend dürfte für die Verfahren im Zivilrecht der Verkehrswert nach § 194 BauGB relevant sein. Kurz zusammengefasst handelt es sich bei dem Verkehrswert um den Preis, der für das Bewertungsobjekt zum Wertermittlungsstichtag, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr am Grundstücksmarkt zu erzielen wäre. Im Detail verweisen wir auf die Formulierung im
Gesetz.

Herausforderung in der Praxis

Teilweise – insbesondere bei älteren Gesellschafts- oder Erbbaurechtsverträgen – wird aber explizit vom Verkehrswertbegriff abgewichen und bspw. der Ertragswert oder auch der „um die Alterswertabnutzung berichtigte Anschaffungswert“ als Bewertungsgrundlage vereinbart. Hier ist zu beachten, dass bei einer Bewertung auf dieser beispielhaften Bewertungsbasis starke Abweichungen zum Verkehrswert nach § 194 BauGB entstehen können.

In der Praxis ebenfalls erkennbar ist, dass Abfindungs- oder Entschädigungsklauseln nur unvollständig formuliert sind. Damit ist in Einzelfällen nicht der Wert an sich, sondern das relevante Bewertungsverfahren strittig. Anwälte, Gerichte und Sachverständige sind in vergleichbaren Fällen gut beraten, zunächst die Werte auf Basis der diskutierten Verfahren ermitteln zu lassen. Meist ist dann daraus eine Wertspanne (unterer Wert aus Berechnungsverfahren 1 und oberer Wert aus Berechnungsverfahren 2) erkennbar, was ggf. eine einvernehmliche und vergleichsweise Regelung ermöglicht.

Sonderfall Landwirtschaft: Im Bereich der Landwirtschaft werden in der Praxis im Zivilverfahren meist die Verkehrswertermittlung nach § 194 BauGB und die Ertragswertermittlung nach § 2049 BGB beauftragt. Letzteres Verfahren stellt eine Sonderform dar und soll „das Überleben“ landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen Erbschaft, Schenkung und Scheidung sichern. Anstelle der „echten“ Verkehrswerte des originären landwirtschaftlichen Betriebes kommt lediglich ein rechnerischer Ertragswert als Entschädigungsgrundlage zum Ansatz, ggf. ergänzt um Sonderpositionen (wie bspw. Bauerwartungsland). Damit diese „Verschonungsregelung“ (und damit verbunden – stark reduzierte Entschädigungen) zum Ansatz kommen kann, muss der Betrieb „schutzwürdig“ sein. Dies ist mit verschiedenen Anforderungen verbunden, auf welche in diesem Beitrag nicht näher eingegangen werden kann. Die vorhergenannten Bewertungsverfahren weichen allerdings stark – in Gebieten mit hochpreisigem Grundstückspreisniveau eklatant voneinander ab.

Gruppen von Sachverständigen

In Deutschland gibt es zusammengefasst wohl drei Gruppen von Sachverständigen im Bereich der Immobilienbewertung. Dies sind einerseits die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Durch die erstmalige und laufende Überprüfung dieser Sachverständigen durch staatliche oder halbstaatliche Stellen ist eine besondere Gewähr für die besondere und langjährige Fachkunde, aber auch die notwendige Vertrauenswürdigkeit gegeben, um Gerichte, Unternehmen, Behörden oder Privatleute bei Bewertungsthemen zu unterstützen. Ähnlich ist die Gruppe der zertifizierten Sachverständigen zu sehen, gerade für jene die nach der europäischen Qualitätsnorm und Personenzertifizierung nach DIN IEC 17.024 zertifiziert wurden. Als die dritte Gruppe sind die freien Sachverständigen zu bezeichnen. Hierzu werden die Sachverständigen gezählt, die zwar über ein besonderes Fachwissen verfügen, jedoch nicht zu den beiden vorgenannten Gruppierungen zählen

Ihr Ansprechpartner

Rainer Priglmeier
Von der Industrie und Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken

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